Public Art Projects

Künstlerhaus Nürnberg - Stadt Nürnberg 

Flagge zeigen
Künstlerhaus Nürnberg
Kunstwettbewerb Künstlerhaus 3. Bauabschnitt - erster Preis, 2020

Auftraggeber: Stadt Nürnberg
Fertigstellung Juli 2023
Eröffnung September 2023 

Das Künstlerhaus Nürnberg hat eine bewegte Geschichte
, an der man exemplarisch wesentliche Momente des 20. Jahrhunderts ablesen kann. Mit der Einweihung 1910 demonstrierten die Stifter den Kunstsinn des aufstrebenden Bürgertums. Als Standort wurde der Eingang zur Stadt vom Bahnhof her gewählt da dieser als Blickachse Aufmerksamkeit generieren sollte. Im „Dritten Reich“ missbrauchten die Nazis das Gebäude um dort u.a. die Ausstellung „Entartete Kunst“ zu zeigen. Nach dem Krieg beschlagnahmten die Amerikaner das Gebäude und machten ein Offizierskasino mit Tanzbar daraus. In den 60er Jahren zog die pädagogische Hochschule ein und Mitte der 70er wurde hier eines der ersten selbst verwalteten Jugendzentren Deutschlands - das KOMM - eingerichtet. 1997 wurde das KOMM und damit die Selbstverwaltung beendet.

Am 5. März 1981 machte das KOMM bundesweit Schlagzeilen und wurde als "die größte Massenverhaftung seit Ende des Dritten Reiches" bezeichnet. Den Verhaftungen vorangehend kündigte der damals amtierende bayerische Innenminister Gerold Tandler an "Flagge gegen die zunehmende Eskalation des Straßenterrors" zeigen zu wollen. Von den 141 Verhafteten sollten schließlich 78 vor Gericht angeklagt werden, mindestens 63 waren also unschuldig in den Zellen gesessen. Das erste Verfahren im November 1981 wurde für die Justiz zum Desaster: Die Anschuldigungen konnten nicht belegt werden und nur drei Wochen später wurde das Verfahren "ausgesetzt". Die Angeklagten wurden jedoch nie freigesprochen, der Eröffnungsbeschluss lediglich zurückgenommen, was eine juristische Aufarbeitung bis heute unmöglich macht.

Das Künstlerhaus kann heute selbst Flagge zeigen und damit ein selbstbewusstes und universelles Zeichen setzen: Den Ort markieren, seine Präsenz nach Außen und Innen demonstrieren, seine Zugehörigkeit zeigen und auf seine Bedeutung verweisen. Ein artifizielles Symbol setzen, das die Spuren der Zeitgeschichte gelassen aufnimmt, sich nicht instrumentalisieren lässt und gleichermaßen provoziert.

An einem acht Meter hohen Mast bewegt sich die zur Form gewordene Flagge sanft um diesen herum. Je nach Windrichtung dreht sich die Flagge um den Mast, richtet sich nach dem dynamischen Druck des Windes aus oder steht still. Die aus allen Richtungen, sichtbare und wahrnehmbare Skulptur gibt keine dominante Richtung vor und birgt immer neue Ansichten. Sie markiert selbstsicher den Eingang und betont metaphorisch den Übergang zwischen Ruhe und Beweglichkeit, Erinnerung und Aktualität.

Abbildungen: © Michael Schultze, Heidi Sill