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kunst galerie fürth

Under My Skin, 2020 
kunst galerie fürth

Unter der Oberfläche finden sich nicht immer erwünschte Botschaften, über die Haut ist generell vieles ablesbar. Erfahrungen, die weder das Individuum noch die Gesellschaft unbedingt freiwillig offenbaren. Es geht um die Brüchigkeit, gewissermaßen die Doppelbödigkeit von Oberflächen insgesamt – von der Haut über die Werbung bis hin zum politischen Diskurs.

Zeichnen und collagieren und collagieren und zeichnen: Das ist ein Wechselrhythmus, ein sich wiederholendes Nacheinander, in der Vorstellung geschichteter Zeit auch ein Übereinander. Heidi Sill zeigt in den Collagen wie der unaufhörliche Bilderfluss die Wahrnehmung und dadurch die Körper (resp. die Abbildungen der Körper) durchdringt. Darin steckt zwar der Gedanke der Partizipation – etwas nimmt Anteil an etwas anderem –, aber die Befremdlichkeit der Ergebnisse weist auf die stattfindenden Entfremdungsmechanismen hin. Man sieht Innenräume, die an Großstadttexturen, und Gesichtslandschaften, die an großflächige Hauttransplantationen erinnern. Prinzipiell macht Mode aus dem Körper etwas, das sich stets wandelt, einen quasi Kompositkörper, Ausdruck eines Selbst, das sich freiwillig-unfreiwillig permanent ändert. 

In den Zeichnungen geht es vordergründig um einen kontrollierten Kontrollverlust. Die Künstlerin wählt ein Reihe von Spielregeln, die letztlich darauf zielen, dass die Künstlerin sich, sentimental gesprochen, zu einem Automaten erklärt, jedoch im durch Regeln festgelegten Tun, entgegen ihrem erklärten Willen, ständig erleben muss, dass ihr Körper kein Automat und kein Plotter ist. Christoph Engemann in seinem Text ("Handlese - Über Heidi Sills Netzwerke") aus der Begleitbroschüre dazu: "Ob die Linien und Furchen von Händen Resultat ihrer mechanischen Stauchungen und Faltungen beim Greifen sind, einen genetischen Ursprung haben oder sich als Zeichen des Schicksals lesen lassen, ob sie also Resultate von Zufällen oder eine, wie auch immer gelagerte Kausalität sind, ist eine die Menschen beschäftigende, offene Frage."

Seit Jahren verfolgt Heidi Sill drei Werkgruppen: Da sind die Fotocollagen aus Mode-Zeitschriften, eine Arbeit an in der Regel unerwünschten/unerfreulichen Aspekten der Schönheitsindustrie. Wobei das Reißen und Zerschneiden, die Technik der Collage, wunderbar die latente Gewalt des Themenspektrums paraphrasiert. Dann die Rauminstallationen oder temporären Wandarbeiten, die diese Themen haptisch erweitern bis hin zur schmerzhaften Beschäftigung mit Gewalterfahrungen aus der Gerichtspathologie. Und schließlich wird das Thema Haut zum Impuls für langsam wachsende, mittel- bis großformatige, stille, abstrakt wirkende Handzeichnungen.
(Hans-Peter Miksch, kunst galerie fürth)

Photography: Michael Schultze